Ein Hauch von Vietnam weht dieser Tage durch US-Universitäten: So wie 1968 demonstrieren Studierende und linke Professoren gegen einen demokratischen Präsidenten, der einem umstrittenen Verbündeten in einem blutigen Krieg die Stange hält, und legen das Leben auf dem Campus lahm. Zwar sind diesmal keine US-Soldaten involviert, aber der Zorn der Kritiker auf Joe Bidens Kurs im Gazakrieg steht der damaligen radikalen Stimmung um nichts nach.

Pro-palästinensische Proteste finden an allen großen US-Universitäten statt, darunter auch die University of Texas.
Propalästinensische Proteste finden an allen großen US-Universitäten statt, darunter auch die University of Texas.
IMAGO/Sara Diggins/American-Stat

Die weitere Entwicklung der Anti-Vietnam-Proteste verspricht für beide Seiten nichts Gutes. Präsident Lyndon B. Johnson verzichtete angesichts schlechter Umfragewerte auf die Wiederkandidatur, der Parteitag der Demokraten im August 1968 in Chicago wurde zum Schlachtfeld zwischen Demonstranten und Polizei, und Vizepräsident Hubert Humphrey verlor knapp gegen Richard Nixon. Dieser setzte den Militäreinsatz jahrelang fort und weitete die Bombardements aus.

Droht Biden ein ähnliches Schicksal? Auch heuer findet der Parteitag der Demokraten in Chicago statt. Dort drohen Massenproteste und Straßenschlachten, die das Image des Präsidenten bei linken wie rechten Wählerschichten schädigen würden. An Bidens Schwäche in den Umfragen sind vor allem Verluste bei jüngeren Wählern schuld, die ihm seine Unterstützung für Israel ankreiden. Die wachsende US-Kritik an der Regierung Netanjahu und der massive Einsatz für humanitäre Hilfe im Gazastreifen ändern daran wenig.

Davon profitiert Donald Trump, der die USA wohl auf einen strammen proisraelischen Kurs zurückführen würde. Für die Palästinenser und ihre Unterstützer wäre nichts gewonnen, im Gegenteil.

US-Mehrheit unterstützt Israel

Aus diesem Dilemma findet Biden keinen Ausweg. Die Solidarität mit Israel bleibt bei der Mehrheit der US-Wähler populär, eine stärkere Distanzierung würde ihn in der Mitte Stimmen kosten. Wenn Israel den Krieg nicht bis zum Sommer beendet, könnte Gaza der entscheidende Faktor sein, der Trump ins Weiße Haus zurückbringt – mit tatkräftiger Hilfe der linken Protestbewegung.

Im Vergleich dazu erweisen sich die zahlreichen Gerichtsverfahren für Trump als recht harmlos. Die konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof scheint dafür zu sorgen, dass der Prozess zum Sturm aufs Kapitol erst nach dem Wahltag stattfinden kann. Im Schweigegeldprozess in New York weist die Anklage grobe juristische Mängel auf.

Trump hat in seinem Leben stets unglaubliches Glück gehabt. Womöglich bleibt ihm dieses heuer hold. (Eric Frey, 26.4.2024)