Übergangspräsident Mahamat Déby wirbt auf Wahlplakaten in der Hauptstadt N'Djamena um Stimmen. Die EU finanziert die am Montag stattfindenden Wahlen, deren Ausgang aus Sicht der Opposition bereits feststeht.
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Im Pentagon hofft man noch, dass der zweite Rauswurf aus Ländern der Sahelzone innerhalb weniger Wochen lediglich ein örtliches Wahlkampfmanöver ist. Wohl knapp 100 Soldaten – die genaue Zahl ist unbekannt – hatten die USA seit Jahren im Tschad für Spezialeinsätze gegen teilweise islamistisch motivierte Milizen der Region stationiert. Die meisten US-Truppen wurden nun auf Anordnung von Übergangspräsident Mahamat Déby ausgewiesen. Und das nur wenige Tage, bevor sich der General am Montag in jenem Amt bestätigen lassen will, das er nach dem Tod seines von Rebellen ermordeten Vaters vor drei Jahren verfassungswidrig übernommen hatte.

Anders als im benachbarten Niger, wo die USA 1000 Soldaten abziehen müssen, findet die Ausladung im Tschad eher halbherzig statt. Man werde innerhalb eines Monats zumindest zu Gesprächen zurückkommen, verkündete der Befehlshaber des US-Afrika-Kommandos, Michael Langley: "Wir werden sehen, was sie brauchen, um ihr Sicherheitskonstrukt weiter auszubauen, auch gegen den Terrorismus." Es könnte sich, so die Hoffnung in Washington, um ein Zugeständnis an die Wähler handeln, um auf das starke Sentiment gegen einen anderen westlichen Akteur zu reagieren.

Mehrere Demonstrationen

Denn Frankreich hat mit 1100 Soldaten weiterhin ungleich größere Kontingente im Tschad. Ähnlich wie vielerorts in Westafrika stieg zuletzt, von russischer Desinformation angefacht, der öffentliche Druck, sich in erster Linie von der Ex-Kolonialmacht loszusagen. Allein im vergangenen Jahr gab es mindestens sechs Demonstrationen, um den Abzug der französischen Truppen zu erwirken, gab Tschads Regierung selbst bekannt.

"Frankreich hat den Tschad aus Angst vor Instabilität seit Jahrzehnten trotz seiner demokratischen Defizite unterstützt", sagt Ulf Laessing, der Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Es war aus Débys Sicht einfacher, einige der etwa 100 US-Soldaten auszuweisen, als sich mit Frankreich anzulegen." In Paris sei man hochgradig nervös, seit Déby im Jänner für einen Besuch bei Präsident Wladimir Putin nach Moskau geflogen sei.

Schließlich hat Russland in der geopolitisch zunehmend wichtigen Sahelzone bereits in Mali, Burkina Faso und Niger Frankreich als Ordnungsmacht verdrängt. Putin hat sich mit überschaubarem Einsatz im französischen "Hinterhof" festgesetzt, wie sie die Wüstenregion in Paris lange despektierlich nannten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben über Kredite an Einfluss im Land gewonnen – nicht zuletzt, um im benachbarten Sudan-Krieg der paramilitärischen RSF-Miliz Nachschub für ihren nunmehr über ein Jahr andauernden Kampf gegen die dortige Armee zu garantieren. Laessing hat aus Diplomatenkreisen erfahren, dass der Golfstaat die RSF über einen Luftwaffenstützpunkt im Ost-Tschad mit Waffen und Munition beliefert. Die VAE bestreiten das.

Hunderttausende geflüchtet

Eine weitere Destabilisierung der Region durch eine politische Krise im Tschad wäre jedenfalls schon allein wegen der schon jetzt hohen Flüchtlingszahlen verheerend. 750.000 Sudanesinnen und Sudanesen sind über die Grenze geflohen, die UN konnten bisher nicht annähernd genug Mittel von den Geberländern auftreiben, um sie hinreichend zu versorgen. Die Armee des Tschads ist zudem traditionell eine der stärksten der Region und spielt eine wichtige Rolle im Antiterrorkampf der Sahelzone.

Entsprechend kritisierte der Westen vor drei Jahren das Land weit zaghafter für Débys Machtübernahme, die man durchaus als Putsch werten konnte, als etwa die Militärjuntas in Mali, Niger und Burkina Faso – ebenso wie zunehmende Menschenrechtsverletzungen und tödliche Gewalt der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten.

Botschafter ausgewiesen

Heuchelei sei das, besonders vom in solchen Fällen sonst so empörten Frankreich, hört man in ganz Westafrika immer wieder. Als einer der wenigen kritisierte im vergangenen Jahr der deutsche Botschafter die immer weiter hinausgezögerten Wahlen im Tschad – und wurde prompt ausgewiesen. Das Auswärtige Amt revanchierte sich mit der Ausweisung des Botschafters des Tschads aus Deutschland. Dem Vernehmen nach hoffen beide Seiten darauf, dass sich die Beziehungen bis Ende des Jahres normalisieren und die Posten neu besetzt werden können.

Das wird, wie auch eine Wiederaufnahme der weitgehend eingefrorenen westlichen Budgethilfe, von der Glaubwürdigkeit der Wahlen abhängen. Sie werden von der EU mitfinanziert. Vertreter der Opposition hatten gebeten, davon abzusehen – sie glauben nicht an einen fairen Wettbewerb. Déby habe zu viele Gefolgsleute an Schaltstellen der Macht platziert. Eine Meinung, die durchaus auch von unabhängigen Beobachtern geteilt wird. (Christian Putsch, 6.5.2024)