Österreichische Tageszeitungen liegen auf einem Tisch.
Österreichs Medienbranche befürchtet Einschränkungen bei der redaktionellen Arbeit.
APA/ROBERT JAEGER

Vor einigen Wochen ließ ein Reformvorhaben der türkis-grünen Regierung die Alarmglocken in Österreichs Medienbranche schrillen: Aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) müssen Medien künftig stärker an das Datenschutzrecht gebunden werden. Ein durchgesickerter Gesetzesentwurf schürte die Befürchtung, dass Medien durch datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren überschwemmt und so investigative Recherchen blockiert werden könnten. Montagabend hat das grüne Justizministerium einen adaptierten Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt, der Kritikpunkte entkräften soll.

Zum Hintergrund: Bislang waren Redaktionen generell von den Pflichten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ausgenommen. Das betrifft etwa das Recht von Betroffenen, ihre Daten übermittelt zu bekommen oder löschen zu lassen. Für den VfGH ging diese generelle Ausnahme zu weit. Laut der Entscheidung sollen Medien in jedem Einzelfall abwägen, ob das Recht auf Datenschutz oder die Pressefreiheit überwiegt. Die Regierung muss bis Ende Juni eine differenzierte Neuregelung treffen – andernfalls droht ein luftleerer Raum, der die Tür für missbräuchliche Auskunftsbegehren öffnen würde.

Wie wichtig eine gut austarierte Regelung ist, zeigt ein Beispiel: Könnten Politikerinnen und Politiker verlangen, dass Medien Recherchedaten übermitteln oder löschen müssen, wären die Pressefreiheit und das Redaktionsgeheimnis in Gefahr. Wer Angst haben muss, als Informant enttarnt zu werden, wird davon Abstand nehmen, sich an Medien zu wenden. Die Folge wäre ein Rückschlag für investigative Recherchen. Müssten Medienunternehmen laufend Auskunftsbegehren betroffener Personen bearbeiten – mögen sie auch aus der Luft gegriffen sein –, könnte das die Berichterstattung zudem massiv verschleppen.

Neun Euro pro Anfrage

Der neue Gesetzesentwurf des Justizministeriums unter Alma Zadić (Grüne), der zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt ist, berücksichtigt einige dieser Kritikpunkte. Vor der Veröffentlichung einer Recherche dürfen Betroffene demnach generell keine Auskunftsbegehren stellen. Nach der Veröffentlichung müssen sie in Anfragen "ihre Betroffenheit individuell begründen". Zudem dürfen Medien für die Bearbeitung ein Entgelt von neun Euro verlangen. Das soll Massenanfragen verhindern.

Bei Auskunftsbegehren dürfen Medien laut dem Entwurf die Auskunft verweigern, "soweit dies zum Schutz des datenschutzrechtlichen Redaktionsgeheimnisses oder sonst im Einzelfall zum Schutz der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit erforderlich und verhältnismäßig ist". Ob sich ein Medium tatsächlich auf das Redaktionsgeheimnis berufen kann, soll die Datenschutzbehörde in einem geheimen Verfahren prüfen dürfen. Medien müssen aber nicht beweisen, sondern nur "glaubhaft machen", dass das Redaktionsgeheimnis betroffen ist.

Dass Auskunftsbegehren bei unveröffentlichten Recherchen nicht möglich sein sollen, dürfte die Situation erleichtern. Das Problem: Recherchen sind nach einer ersten Veröffentlichung meist nicht abgeschlossen, sondern laufen weiter. In der Praxis würden damit schwierige Abgrenzungsfragen verbunden sein. Offen ist nicht zuletzt, ob neun Euro pro Auskunftsbegehren reichen, um eine Anfrageflut zu verhindern.

"Schmerzliche Rechtsunsicherheit"

Datenschutzanwalt Lukas Feiler, der auch den STANDARD vertritt, sieht den Entwurf kritisch. Das Bearbeitungsentgelt von neun Euro bleibe "um ein Vielfaches hinter dem tatsächlichen Aufwand zurück und sollte in der Tat vervielfacht werden". Ob eine datenschutzrechtliche Auskunft verweigert werden darf, werde zudem nur mit einem unbestimmten Verweis auf das Redaktionsgeheimnis und die Pressefreiheit beantwortet. "Damit erzeugt der neue Entwurf schmerzliche Rechtsunsicherheit für Medienunternehmen", sagt Feiler.

Kritisch sieht der Anwalt auch, dass Betroffene gegen eine Auskunftsverweigerung die Datenschutzbehörde und im Rechtsmittelweg das Bundesverwaltungsgericht anrufen können. Das würde bedeuten, "dass Medienunternehmen enorme finanzielle Ressourcen investieren müssen, um ihre journalistische Tätigkeit zu verteidigen. Personen, denen die Berichterstattung über ihre Person nicht gefällt, können hingegen ohne signifikanten Kostenaufwand Behörde und Gerichte gleichsam für sich arbeiten lassen."

Nikolaus Forgó, Professor für IT- und Datenschutzrecht an der Universität Wien, findet, dass der Entwurf "ein ausgewogener Versuch" ist, "auch Betroffenenrechte unter Wahrung des Redaktionsgeheimnisses zu wahren". Die neun Euro seien wohl ein politischer Kompromiss. Forgó weist darauf hin, dass das Auskunftsrecht auch sonst beschränkt ist, weil Betroffene ihre Anträge "individuell" begründen müssen und eine Auskunftsverweigerung mit Berufung auf das Redaktionsgeheimnis und die Pressefreiheit möglich ist.

Der Entwurf liegt bis 20. Mai zur Begutachtung auf. Das Gesetz könnte dann gerade noch rechtzeitig am 1. Juli 2024 in Kraft treten. (Jakob Pflügl, 7.5.2024)