Die Protestierenden am Uni-Campus verlieren kein Wort der Distanzierung von der Hamas. Dafür wird Israel ohne Not "Völkermord" vorgeworfen. Dass der Krieg in Gaza die Definition von Völkermord der Vereinten Nationen nicht erfüllt, ist egal.
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Nun stehen sie also auch in Wien: Am Montagnachmittag wurden Zelte auf dem Uni-Campus aufgeschlagen. Ein Protestcamp von Pro-Palästina-Aktivistinnen und -Aktivisten, die aber vor allem anti Israel sind – sprechen sie dem israelischen Staat doch das Recht zu existieren ab.

"Studierende und Arbeiter*innen dieser Welt, vereinigt euch", steht auf ihren Flyern. Neben Studierenden sind auch Ältere vor Ort, die seit Jahren im Dunstkreis von Israel-feindlichen Bewegungen wie Boykott, Desinvestition, Sanktionen (BDS) agieren.

Das von amerikanischen Universitäten abgekupferte Camp erinnert optisch an Musikfestivals wie jenes in Israel, bei dem am 7. Oktober 2023 hunderte Menschen abgeschlachtet und Frauen vergewaltigt wurden. "No Feminist Struggle Without Palestine", steht auf einem Transparent, das zwischen zwei Bäumen im Alten AKH aufgehängt wurde.

Anderswo hätten dieselben Leute es wohl als "kulturelle Aneignung" bezeichnet, wenn blonde Studierende in Pali-Tücher verhüllt ihre "Forderungen" verlesen würden. Aber hier heißt das "Solidarität", frei nach dem Motto: Wer Palästinenser ist, bestimme ich.

Keine Soli mit Jüdinnen

Man fragt sich aber auch, wo all jene, die gerade für Menschenrechte in Palästina auf die Straße gehen, waren, als vor über einer Woche Demos für die Frauen im Iran und den zum Tode verurteilten Rapper Toomaj Salehi stattfanden. Da marschierten Exiliranerinnen weitgehend allein durch Wien. Bei Iranerinnen und Jüdinnen ist es bei ihnen mit der Solidarität vorbei.

Die Forderungen – ebenfalls weitgehend ident mit jenen, die auf US-amerikanischen Privatunis gerufen wurden – erwecken den Anschein, österreichische Unis seien allesamt Ableger der israelischen Streitkräfte. Die Protestierenden verlangen eine "Entmilitarisierung" der Hochschulen. Sie wollen, dass jegliche Kooperation mit israelischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unterbunden wird, dass man israelische Studierende von Erasmus-Programmen ausschließt.

Aber kein Wort der Distanzierung von der Hamas am Uni-Campus. Im Gegenteil: "We need a new Intifada", schreit da ein junger Mann mit deutschem Akzent ins Mikrofon. Dafür wird Israel auch hier ohne Not "Genozid" vorgeworfen. Dass der Krieg in Gaza die Definition von Völkermord der Vereinten Nationen nicht erfüllt, ist egal.

Sind Mörder Märtyrer?

Auch diese Worte stehen auf ihrem Flyer: "Wir stehen auf den Schultern der Märtyrer*innen." Wie bitte? Ist den Leuten auf dem temporären Campingplatz am Alsergrund klar, dass sich auch Terroristen, die andere ermorden, als Märtyrer bezeichnen?

Am selben Tag, als die Zelte aufgeschlagen wurden, verschüttete ein Aktivist Kunstblut vor einer Antisemitismus-Konferenz in Wien. Wohlgemerkt: Es war nicht etwa ein Staatsbesuch von Benjamin Netanjahu, sondern eine Konferenz gegen Antisemitismus.

Am selben Tag erlebten (auch) österreichische Schüler beim "March of the Living" beim ehemaligen KZ Auschwitz, wie auch dort Palästina-Aktivisten zu stören versuchten. Es gibt keine Schamgrenze mehr.

In der Zwischenzeit sterben weiter Kinder im Gazastreifen. Das muss sofort aufhören – und die Hamas sofort alle israelischen Geiseln freilassen. Sind Letztere den Campierenden egal? Ihr unreflektierter Protest hilft auch den Menschen in Gaza nicht, sondern heizt Judenhass an. Berechtigte Kritik am Regime Netanjahus kann niemals mit dem Ziel einhergehen, Israel auszulöschen. (Colette M. Schmidt, 7.5.2024)