Rund 150.000 Personen stark, eine unbekannte Zahl an "Schläferzellen", die seit Jahrzehnten unerkannt in Europa leben, zwar fähig, aber zusehends auch fehleranfällig, auf mehrere Dienste aufgeteilt und stets untereinander um die Gunst Wladimir Putins buhlend ­– so könnte man das komplexe Netz aus Russlands In- und Auslandsgeheimdiensten in aller Kürze beschreiben. Mitunter mischen sich die Aufgaben von In- und Auslandsgeheimdiensten auch. So kümmert sich die 5. Abteilung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, der sich als direkter Nachfolger des berüchtigten KGB sieht, etwa auch um "operative Informationen und internationale Beziehungen". Der Dienst soll seit geraumer Zeit auch über erhebliche Kapazitäten im Cyberbereich verfügen und gilt etwa als Drahtzieher hinter dem Cyberangriff auf Österreichs Außenministerium 2020. Die fünfte Abteilung hat vor allem in den Ex-Sowjetstaaten noch eine ausgedehnte Präsenz. Dass Putin, der einst als KGB-Offizier zwischen 1985 und 1989 in Dresden stationiert und später vom Juli 1998 bis August 1999 als FSB-Direktor fungierte, auch einige Agentinnen und Agenten des FSB in Deutschland stationiert hat, würde niemanden überraschen.

SWR-Chef Sergej Naryschkin mit patriotischem Accessoire.
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Auf dem (geheimen) Papier sind für die Auslandsaufklärung und Geheimdienstoperationen im Ausland vor allem aber zwei russische Dienste verantwortlich: der Auslandsgeheimdienst SWR und der Militärgeheimdienst GU (besser bekannt unter seinem früheren Namen GRU). Als zentrale Stelle für zivile Aufklärung sammelt der SWR vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie Informationen. Der SWR verfügt auch über eine "Fernmeldeaufklärung", ist also für Abhörmaßnahmen zuständig. Und auch für Gegenspionage. Vor wenigen Wochen erst teilte der SWR mit, dass sein Chef Sergej Naryschkin für ein dreitägiges Arbeitsgespräch in Pjöngjang war. Inhalte der Gespräche mit Nordkorea seien die Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit und die Sicherheit in der Region gewesen. Dass man aber auch "handfeste" Arbeit im Ausland leisten kann, stellte der SWR Anfang des Jahres in Spanien unter Beweis. Dort befehligte Naryschkin mutmaßlich die Ermordung eines russischen Überläufers, der sich im vergangenen Jahr spektakulär samt Kampfhubschrauber in die Ukraine absetzte. Der Verräter sei "in dem Moment zu einer moralischen Leiche geworden, als er sein schmutziges und schreckliches Verbrechen plante", sagte Naryschkin später.

Der GU, der in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Mordanschlägen, Vergiftungen bzw. Vergiftungsversuchen, Wahlbeeinflussungen, Putschversuchen oder der Bezahlung von Kopfgeldern auf sich aufmerksam machte, widmet sich neben verdeckten Operationen hinter feindlichen Linien, der Terrorismusbekämpfung und der Beschaffung militärisch relevanter Informationen ebenfalls der Spionageabwehr. Seit mehreren Jahren soll auch Wirtschaftsspionage in den Aufgabenbereich des GU fallen. Auch die berüchtigte Hackergruppe Sandworm soll dem GU untergeordnet sein. (Fabian Sommavilla, 18.4.2024)