24 Ideen "mit Herz und Hirn" bilden also das Kernstück des Wahlkampfprogramms von SPÖ-Chef Andreas Babler. Aus wirtschaftspolitscher Sicht sind dabei vor allem die Vorschläge zur Steuerpolitik und zum Arbeitsmarkt interessant. Die steuerpolitischen Vorhaben der Sozialdemokraten sehen Entlastungen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro vor, wovon rund vier Milliarden auf die Senkung der Steuern auf Arbeit entfallen dürften und eine Milliarde auf eine temporäre Senkung der Umsatzsteuer für Lebensmittel. Die zur Gegenfinanzierung vorgebrachten Vorschläge werfen zwar ein paar Fragen auf: Die SPÖ etwa hofft, dass sich ein Teil der Maßnahmen selbst finanzieren wird, insbesondere weil die Beschäftigung im Land spürbar zunimmt. Wie das gelingen soll, wird nicht detailliert ausgeführt.

Aber unterm Strich hängen die Entlastungspläne der Sozialdemokratie vor allem davon ab, ob sie sich bei ihren anderen Vorhaben, etwa der Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer oder dem Schließen von Steuerschlupflöchern für Konzerne, politisch durchsetzen kann.

Video: SPÖ-Chef Babler will "historische Weichenstellung."
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Während diese Konzepte breit diskutiert wurden, hat die Idee, Banken mit einer Übergewinnsteuer zu belegen, ähnlich wie Energieunternehmen, bisher wenig Kontroverse ausgelöst. Banken machten "Rekordgewinne auf dem Rücken der Steuerzahler*innen", schreibt die SPÖ. Warum eine Sondersteuer notwendig sein soll, außer weil der Sektor gut verdient, was aber wirtschaftspolitisch der Weg in Willkür wäre, wird nicht weiter ausgeführt. Dabei steht das Argument auf wackeligen Beinen: Die Banken erwirtschaften deshalb so hohe Gewinne, weil einerseits die Europäische Zentralbank (EZB) den Kreditinstituten für ihre überschüssigen Reserven aktuell so hohe Zinsen ausbezahlt. Diese Reserven sind aber entstanden, weil die EZB eine lockere Geldpolitik betrieben hat. Die EZB kann das mit der Verzinsung auch ändern. Anderseits haben Regierungen in der Eurozone und in Österreich die Inflation nicht in den Griff bekommen, was ja erst zu den Zinsanhebungen geführt hat. Auch hier waren die Banken aber nicht aktiv beteiligt. Ob diese Konstellation eine Sondersteuer rechtfertigt, ist fraglich. Die SPÖ will darüber hinaus übrigens auch die Senkung der Gewinnsteuern für Unternehmen von 25 auf 23 Prozent rückgängig machen.

Aufgabe an Sozialpartner ausgelagert

Diskussionsbedarf ergibt sich auch aus den arbeitsmarktpolitischen Vorschlägen Bablers. Interessant ist zunächst, dass einer der hitzigsten Streitpunkte der vergangenen Monate nun wohl ausgeräumt sein dürfte: der Konflikt um die von Babler vehement geforderte Reduktion der Regelarbeitszeit auf 32 Stunden. Im Rahmen der 24 Ideen heißt es dazu nun zwar knapp, dass man an dem Ziel festhalte. Allerdings soll dazu nicht das Arbeitszeitgesetz geändert werden, sondern ein Generalkollektivvertrag soll die Modalitäten regeln (erst danach würde gesetzlich nachgezogen werden). Mit dieser Lösung werden auch die Arbeitgeber leben können: Einen Kollektivvertrag verhandelt die Gewerkschaft mit der Wirtschaftskammer, solange die Arbeitgeber nicht zustimmen, gibt es keine Arbeitszeitverkürzung. De facto könnten Gewerkschaften und Arbeitgeber schon jetzt all das verhandeln, dazu braucht es keinen Impuls der SPÖ.

SPÖ-Chef Andreas Babler bei der Versammlung des Bundesparteirats der SPÖ am Samstag. Im Zuge des Treffens präsentierte er auch seine 24 Ideen für Österreich.
Reiner Riedler

Der sozialdemokratische Schwerpunkt in puncto Arbeitsmarktpolitik ist ohnehin die Einführung einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose. Als Vorbild wird das Projekt des AMS Niederösterreich in der historischen Gemeinde Marienthal genannt. "Was sich bei der Marienthal-Arbeitsplatzgarantie im Kleinen bewährte, funktioniert auch im Großen: Basierend auf den positiven Erfahrungen wollen wir die Jobgarantie in ganz Österreich implementieren", heißt es dazu.

Über Finanzierung dieser Idee macht sich die SPÖ erstaunlich wenige Gedanken. "Es ist günstiger, Menschen Beschäftigung zu geben, als ihre Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren", heißt es lediglich. Nun mag eine Jobgarantie sozial- und wirtschaftspolitisch langfristig sinnvoll sein, sie kostet dennoch zunächst Geld, und es braucht die Jobs. Das Projekt in Gramatneusiedl/Marienthal, das 2020 startete und inzwischen ausgelaufen ist, beinhaltete eine Jobgarantie für alle, die zwölf Monate arbeitslos sind oder seit neun Monaten keinen Job finden, also drohen, langzeitarbeitslos zu werden. Die Menschen wurden überwiegend in einem sozialen Unternehmen beschäftigt.

Während das Projekt für Betroffene tatsächlich sozial stabilisierend wirkte, war es kostspielig, weil angestellte Personen nach Kollektivvertrag bezahlt wurden. Das AMS Niederösterreich taxiert die Kosten mit 30.000 bis 40.000 Euro pro Teilnehmer und Jahr, die Endabrechnung laufe noch. Eine im vergangenen Juli publizierte Studie des Oxford-Ökonomen Lukas Lehner und seines Kollegen Maximilian Kasy ging von etwas niedrigeren Kosten von um die 29.800 Euro pro Person und Jahr aus, wovon noch ein Betrag (1500 Euro) abgezogen werden müsste, weil die Langzeitarbeitslosen auch Produkte herstellten und verkauften.

Eine Milliarde Euro an Kosten?

Umgelegt auf alle aktuell Langzeitarbeitslosen in Österreich ergäbe das Kosten von 2,3 Milliarden Euro im Jahr. Nun muss man berücksichtigen, dass sich der Staat im Gegenzug Notstandshilfe und Arbeitslosengeld erspart. Blieben immer noch Kosten von rund einer Milliarde Euro übrig, das wäre etwa das Budget für Sozialhilfe/Mindestsicherung im Jahr. Nun müsste nicht allen Langzeitarbeitslosen gleich eine Stelle angeboten werden. Entsprechend können die Gesamtkosten niedriger liegen. Zugleich war die Zahl der Langzeitarbeitslosen noch vor kurzem deutlich höher.

Es mag sich rechnen, diese Investition zu tätigen, weil die Hoffnung dazukommt, dass bei guter Arbeitsmarktlage viele Leute in den regulären Jobmarkt wechseln können mithilfe der Garantie. Aber finanziert werden müsste so ein Projekt natürlich allemal. Jedenfalls müsste die Jobs auch jemand zur Verfügung stellen.

Interessant ist beim Kapitel Arbeitsmarkt noch eine Weglassung: Die SPÖ beschäftigt sich zwar viel mit Arbeitslosigkeit, nimmt sich aber eines Themas, das für die kommenden Jahre mindestens so bedeutsam sein dürfte, nämlich des Arbeitskräftemangels, kaum an. In einem kurzen Vermerk steht lediglich, dass statt Zuzug aus Drittstaaten lieber auf Aktivierung von Gruppen gesetzt werden solle, die schon hier sind, etwa Geflüchtete.

Klingt vernünftig, ist aber erstens nicht ganz simpel – und es bleibt die Frage, ob das angesichts der Herausforderungen reicht. Laut Bevölkerungsprognose der Statistik Austria sinkt die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 65 ab heuer und danach erst einmal Jahr für Jahr. Aktuell gehören sechs Millionen Menschen dieser Gruppe an, schon 2030 sollen es 125.000 weniger sein. Gleichzeitig prognostizieren die Wirtschaftsforscher, dass Österreich bis dahin jährlich zusätzlich 30.000 bis 40.000 Beschäftigte braucht. Damit würden weit mehr als 200.000 Menschen am Jobmarkt fehlen.

Nun gibt es Möglichkeiten, die Lücke zu verringern, etwa wenn mehr Jobsuchende beschäftigt werden oder weil das Frauenpensionsalter nun langsam steigt, wie auch der Ökonom Helmut Mahringer vom Forschungsinstitut Wifo ausführt. Im Idealfall, wenn diese Aktivierung gelingt, kann die Lücke zunächst geschlossen werden. Aber schon für 2029 sieht auch das Wifo, selbst unter Berücksichtigung von Migration, dass 40.000 Beschäftigte fehlen. Dazu kommt, dass diese Zahlen schon berücksichtigen, dass die Beschäftigung langsamer steigen wird, weil weniger Leute am Markt verfügbar sind – auch das ist kein gutes Zeichen. Die ÖVP schlägt als Antwort vor, die Zahl der Rot-Weiß-Rot-Karten aufzustocken, von rund 8000 auf 16.000 im Jahr. Selbst das dürfte nicht reichen. Bei der SPÖ steht zu dieser Herausforderung wenig.

Bei aller Kritik an den Vorschlägen für wirtschaftspolitische Reformen von der SPÖ und davor der ÖVP, die im Jänner ihren Österreich-Plan vorgelegt hat, gilt, dass diese beiden Parteien immerhin Ideen präsentiert haben. Wer von den Großparteien bisher keine Vorschlägen vorgelegt hat, ist die FPÖ. Deren letztes Wirtschaftsprogramm stammt von 2017. (András Szigetvari, 30.4.2024)